Jörg Clasen, 59, arbeitet seit 2001 für Conplan und ist heute Gesellschafter und Teil der Geschäftsführung. Er begleitet kleinere Baugruppen als Projektentwickler und hat sich auf die Finanzberatung von Baugemeinschaften spezialisiert.
Jörg, Du berätst und unterstützt Baugruppen seit circa 20 Jahren beim Thema Finanzierung. Welche Hürden müssen Baugemeinschaften dabei überwinden?
Die erste Hürde besteht schon mal darin, dass die meisten Banken Baugemeinschaften gar nicht kennen. Manchmal kommen Banken über uns auf das Thema oder weil es in ihrer Region neue Baugemeinschaftsprojekte gibt. Wir haben zum Beispiel in Mainz mal das allererste Projekt begleitet, weil die Kommune Baugemeinschaften fördern wollte. Wir haben das Thema dort den Banken näher gebracht und dann gab es einzelne, die sich das vorstellen konnten und die Projekte letztlich auch finanziert haben.
Wie reagieren Banken deiner Erfahrung nach, wenn sie das erste Mal von Baugemeinschaften hören?
In der Regel passt das nicht in ihr Standardgeschäft. Viele wissen auch nicht, in welcher Abteilung sie Baugemeinschaften innerhalb der Bank verorten sollen: Es ist kein Investorengeschäft, aber es handelt sich auch nicht um eine klassische private Einzelfinanzierung. Der Arbeitsaufwand für eine Bank ist ungleich höher, wenn sie eine Baugemeinschaft finanzieren. Interessant für Banken ist, dass sie zeitgleich sehr viele Finanzierungen bekommen. Wenn wir als Conplan eine Baugemeinschaft betreuen, bereite ich außerdem alle Finanzierungsunterlagen für die Bank vor und nehme ihnen viel ab. Das machen aber kaum Projektentwickler.
Wo sehen Banken konkrete Herausforderungen, wenn sie mit Baugemeinschaften zusammenarbeiten?
Die Hürde liegt im Abwicklungsprozedere: Wenn wir beispielsweise ein Bauvorhaben mit 30 Wohnungen haben, von denen vier noch nicht vergeben sind, dann ist das für eine Bank eine Unsicherheit. Unsere praktische Erfahrung als Conplan ist, dass diese Wohnungen in jedem Fall noch vergeben werden, aber für die Bank ist das erstmal ungewöhnlich. Wir haben hier bei uns in Schleswig-Holstein manchmal Projekte, da sind erst 70 Prozent der Wohnungen vergeben, wenn wir das Grundstück kaufen. Viele Banken wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.
Welche Hürden gibt es noch?
Es gibt eine gesetzliche Bauhandwerkersicherung, das ist so etwas wie eine Zahlungserfüllungsbürgschaft – auch das ist eine echte Herausforderung.
Was genau ist eine Bauhandwerkersicherung?
Ein Bauunternehmer kann – wenn er einen Vertrag mit einer Baugruppe abschließt – eine Bürgschaft verlangen. Die sichert, dass die Zahlung aus dem Vertrag auch tatsächlich kommt, weil sie mit einer Bürgschaft hinterlegt ist. Wenn ein Bauunternehmer so eine Bürgschaft verlangt und die Baugruppe diese nicht liefern kann, weil die Bank das nicht mitmacht, hat die Gruppe im Zweifel ein Riesenproblem.
Wir haben in Baugemeinschaften auch die Situation, dass die Kredite sehr schnell ausgezahlt werden müssen. Sobald die Notarbestätigung vorliegt, brauchen die Bauherren im Grunde das Geld aus den Darlehen. Auch das machen viele Banken nicht: Die meisten benötigen zunächst eine Bestätigung darüber, dass die Grundschuld in einem individuellen Wohnungsgrundbuch eingetragen ist. Bis dies vorliegt, vergeht aber oft recht viel Zeit, die nicht kalkulierbar ist.
Wie gehen Banken damit um, dass Baugruppen nicht zum Festpreis bauen?
Dass ein Projekt durchaus teurer werden kann, als zum Zeitpunkt der Finanzierung kalkuliert, ist für viele Banken ebenfalls ein Problem. Zwar bauen Baugemeinschaften ja in der Regel immer deutlich unter den Kosten, die ein Bauträger aufruft. Es könnte natürlich passieren, dass sich die einzelne Baupartei eine Wohnung nicht mehr leisten kann, weil die Kosten steigen. Wir finanzieren deshalb immer eine sogenannte Baukostenreserve mit.
Das klingt alles recht kompliziert. An welche Banken können Baugruppen denn überhaupt herantreten?
Die einzigen Player, die sich mit Haut und Haaren der Baugemeinschaftsfinanzierung verschrieben haben, sind die Umweltbank in Nürnberg und die GLS Gemeinschaftsbank in Bochum. Beide Banken sind ökologisch und sozial orientiert und haben sich schon vor langer Zeit des Themas angenommen. Darüber hinaus ist es regional sehr verschieden. Sparkassen und Volksbanken finanzieren hin und wieder auch Baugemeinschaften.
Eine Baugemeinschaft muss ihre Finanzierungen immer gemeinsam bei einer Bank abschließen. Warum ist das so?
Die Bank möchte das so, weil sie sicher sein will, dass das gesamte Projekt finanziert ist. Wenn eine Baugruppe sich auf viele verschiedene Banken verteilen würde, würde auch keine von ihnen eine Bürgschaft für einen Bauunternehmer ausstellen. Denn dann müsste sie ja für Parteien bürgen, die gar nicht bei ihr finanzieren. Außerdem kann immer nur eine Bank im Grundbuch des Grundstückes im ersten Rang stehen – und auch das würde nicht funktionieren, wenn sich die Baugruppe auf verschiedene Banken verteilt.
Gibt es neben der Vielzahl an Hürden denn auch Vorteile, die Baugemeinschaften bei Banken genießen?
Wenn sich eine Bank grundsätzlich für die Finanzierung einer Baugruppe entscheidet, haben wir bei der Masse an Finanzierungen den Vorteil, dass wir sehr gute Konditionen und Rahmenbedingungen für die Einzelfinanzierung bekommen. Das führt dazu, dass man ein Finanzierungsangebot für eine Baugruppe nicht unbedingt mit einer klassischen privaten Einzelfinanzierung vergleichen kann.
Wie gehst Du vor, wenn Du für ein neues Projekt einen Finanzierungspartner suchst?
Als erstes prüfe ich die einzelnen Bauparteien und stelle für jeden eine Haushaltsrechnung auf: Welche monatlichen Einnahmen gibt es? Und welche Ausgaben? Die Rechnung ist recht streng. Damit wollen wir sicherstellen, dass die Parteien auch später in jedem Fall von der Bank finanziert werden. Wer die Prüfung besteht, dem ist das Ok der Bank schon mal ziemlich sicher.
Je nach Region habe ich dann in der Regel schon einen bewährten Pool an Banken, mit denen wir als Conplan schon länger zusammenarbeiten. Die spreche ich zuerst an. Und dann kann es auch mal sein, dass eine Bank neu dazu kommt, weil wir unter bestimmten Voraussetzungen arbeiten: Kürzlich hatten wir beispielsweise ein Projekt in Bargteheide in der Nähe von Hamburg. Unser Baunachbar ist dort die Raiffeisenbank. Die haben dann gesagt: Mensch, wir haben zwar noch nie eine Baugemeinschaft finanziert. Aber jetzt, da wir Nachbarn werden, wollen wir uns das mal genauer anschauen.
Darüber hinaus betreibe ich ein permanentes Networking und stelle verschiedenen Banken das Thema Baugemeinschaften vor. Später ergibt sich daraus vielleicht mal ein gemeinsames Projekt.
Würdest Du sagen, dass das Interesse an Baugemeinschaften bei den Banken wächst?
Nein, das kann ich nicht feststellen. Im Gegenteil: Insgesamt müssen wir aufpassen, dass uns nicht mehr Banken wegbrechen als neu dazukommen. Ich glaube, dass wir als Conplan immer gute Chancen haben, eine Bank zu finden, die sagt: Ok, wir finanzieren die Baugruppe – aber nur in Zusammenarbeit mit euch.
Wir als Conplan haben auf Grund der intensiven Finanzierungsbetreuung und der langjährigen Erfahrung mit Baugemeinschaften kürzlich die Finanzierung für unser drittes Projekt in München abgeschlossen und da gab es am Ende nur eine Bank, die uns überhaupt eine Finanzierung angeboten hat. Als ich den Abteilungsleiter angerufen habe, um ihm zu sagen, dass wir gerne mit ihm zusammenarbeiten wollen, hat er gesagt: “Ich weiß jetzt nicht, ob ich lachen oder weinen soll.” Die finanzieren dort unten so viel, dass sie Baugemeinschaftsprojekte praktisch nicht nötig haben. Der Bänker sagte mir: “Ich kann hier ganz schnell mal eine Finanzierung über eine Million Euro abschließen und das macht mir kaum Arbeit. Wenn ich mit einer Baugruppe zusammenarbeite, muss ich für diese Summe manchmal fünf Finanzierungen abschließen.” Es gibt mehrere Banken, die mal Testprojekte mit Baugemeinschaften gemacht haben, und die haben sich alle zurückgezogen, weil es ihnen zu aufwändig und kompliziert war, bzw. sie negative Erfahrungen mit Projektentwicklern in der Bauphase gemacht haben.
Gibt es spezielle Förderprogramme für Baugemeinschaften?
Nein, davon habe ich noch nie gehört. Baugemeinschaften werden ja von den Kommunen gefördert, indem sie Grundstücke erwerben können – zu einem guten Preis. Das ist letztlich schon eine Förderung.
Erfahre mehr über die Vorteile, die eine Baugemeinschaft mit sich bringt.
Gibt es denn zunehmend Kommunen, die Grundstücke speziell für Baugemeinschaften ausschreiben? Hamburg macht das ja schon länger…
Ja, das stimmt. Insgesamt hängt das aber so ein bisschen von den Städten ab. In München ist es beispielsweise so, dass wir eins der letzten Projekte gemacht haben, die im Eigentum laufen. Die schwenken jetzt schon eher um auf Genossenschaften. Auch in Hamburg gibt es Überlegungen, das zu tun.
Häufiger werden Grundstücke jetzt auch im Erbbaurecht vergeben. Weil man natürlich auch gelernt hat, dass man über die Baugemeinschaften eine ganze Menge Menschen ziemlich reich gemacht hat. Und das ist ja auch nicht unbedingt im Sinne des Erfinders. In der Vergangenheit haben sich Menschen allein mit der Fertigstellung ihrer Wohnung einen nicht unerheblichen Vermögenszuwachs erwirtschaftet. Das kann es eigentlich auch nicht sein. Und deshalb schreiben einige Kommunen inzwischen Klauseln in die Grundstückskaufverträge, um zu vermeiden, dass Bauparteien mit einem Verkauf der subventionierten Wohnung große Gewinne erzielen können.
A propos Geld: Die vergleichsweise niedrigen Kosten machen ein Baugruppenprojekt ja für viele Menschen interessant…
Ja, wobei ich das immer ein bisschen schade finde, wenn Leute ausschließlich ins Projekt kommen, weil sie auf diese Weise günstig bauen können – und nicht, weil sie die Baugemeinschaft an sich für sich als Thema entdeckt haben. Wobei unser Gründer, Volker Spiel, immer zu mir sagt: “Jörg, mach Dir mal keinen Kopf. Wenn wir das Thema Baugemeinschaften Leuten, die es gar nicht kannten, ein bisschen näher bringen, haben wir schon was erreicht.” Die ursprünglichen Baugruppen – so nenne ich das immer – sind für mich die, in denen es einen großen Zusammenhalt in der Gruppe gibt. Wo vielleicht sogar eine Baugruppe sagen würde: Ok, wenn wir das machen, dann zahle ich zwar 0,1 Prozent mehr Zinsen bei einer anderen Projektbank, aber dann werden wir alle finanziert und keiner fällt raus. Wir wollen als Gesamtgruppe zusammenbleiben und unsere Ideen verwirklichen. Und es gibt andere Baugruppen, die sagen: 0,1 Prozent mehr – seid ihr denn völlig verrückt? Dann wird eben jemand nicht finanziert und wir suchen eine neue Baupartei. Baugruppen sind eben sehr unterschiedlich.

Jörg Clasen, 59, arbeitet seit 2001 für Conplan und ist heute Gesellschafter und Teil der Geschäftsführung. Er begleitet kleinere Baugruppen als Projektentwickler und hat sich auf die Finanzberatung von Baugemeinschaften spezialisiert.

