In Zeiten steigender Baukosten schließen sich immer mehr Menschen zu Baugemeinschaften zusammen: Sie sparen Geld, weil kein Investor im Spiel ist, und nehmen Einfluss auf die Gestaltung ihrer Immobilie. Auch soziale Aspekte spielen eine wichtige Rolle: Manchmal entwickelt sich eine Baugruppe zu einer Gemeinschaft fürs Leben.
Inhaltsverzeichnis
- Allgemein
- Baugruppenprojekt
- Finanzierung
- Ursprung und Verbreitung von Baugemeinschaften
- Baugemeinschaften als Instrument zur Stadtentwicklung
Allgemein
Was ist eine Baugemeinschaft?
Bei einer Baugemeinschaft, die auch Baugruppe genannt wird, handelt es sich um einen Zusammenschluss von meist privaten Bauherren, die gemeinsam ein neues Mehrfamilienhaus errichten oder ein bestehendes Mehrfamilienhaus sanieren. In den meisten Fällen wohnen die Bauherren anschließend auch selbst in der Immobilie.
Häufig finden Baugruppen sich in Ballungsgebieten oder Großstädten zusammen, wo die Grundstückspreise hoch sind und bauen insgesamt besonders teuer ist. Stellt man einen Vergleich zwischen einer Baugruppe und einer regulären Eigentumswohnung an, gibt es einen entscheidenden Unterschied: Eine Baugemeinschaft fungiert immer selbst als Bauherr. Es gibt keinen Investor, der zunächst das gesamte Projekt plant und finanziert, um anschließend jede Wohnung einzeln mit Gewinn zu verkaufen.
Baugemeinschaften können sich in unterschiedlichen Rechtsformen zusammenschließen. Auf diesen Seiten soll es ausschließlich um private Baugemeinschaften gehen.
Warum Baugemeinschaft?
Neben dem finanziellen Aspekt gibt es viele Gründe, warum Menschen einer Baugemeinschaft beitreten. Manche reizt das gemeinschaftliche Wohnen. Andere schätzen den Gestaltungsspielraum, den das Bauen in einer Baugruppe bietet. Viele Baugruppen schaffen Gemeinschaftsflächen, wie gemeinsam genutzte Dachterrassen, einen gemeinsamen Co-Working-Space, einen gemeinschaftlichen Wasch- und Trockenkeller, eine Solaranlage, gemeinsame Autos oder Lastenräder oder eine Gästewohnung.
Baugemeinschaften ist es in der Regel wichtig, sich gegenseitig als Nachbarn zu unterstützen. Sie wollen nicht anonym nebeneinander her leben. Sie helfen sich beispielsweise bei der Kinderbetreuung, aber auch bei der Versorgung älterer Mitbewohner.
Gerade in Ballungsräumen entscheiden viele Baugruppen sich, die einzelnen Wohnungen eher etwas kleiner zu gestalten und im Gegenzug mehr Gemeinschaftsflächen für alle zu generieren. So können Baugemeinschaften sich gemeinsam Extras wie eine große Dachterrasse leisten, die für das einzelne Mitglied nicht oder nur schwer finanzierbar wäre.
Mehr über die Vorteile, Risiken, Herausforderungen und auch über die Nachteile von Baugruppen findest Du auf unserer Übersicht der Vor- und Nachteile von Baugemeinschaften.
Wie funktioniert eine Baugemeinschaft?
In Baugemeinschaften finden sich Menschen mit ganz unterschiedlichen fachlichen Hintergründen zusammen. Manche sind selbst als Architekten oder anderweitig in der Baubranche tätig. Andere haben überhaupt keine Erfahrung mit der Planung und dem Bau von Immobilien.
Viele Baugemeinschaften engagieren aus diesem Grund einen Projektbetreuer, der die gesamte Koordination des Bauprojekts übernimmt. In einigen Städten – beispielsweise in Hamburg – ist die Vergabe eines Grundstücks, das von der Stadt speziell für Bauherrengemeinschaften ausgeschrieben wird, sogar an die Zusammenarbeit mit einem Projektbetreuer gebunden. Der Betreuer übernimmt und koordiniert im Namen der Gruppe viele Aktivitäten. Dazu gehören beispielsweise:
- Vorbereitung und Moderation der Baugruppensitzungen
- der Kauf des Grundstücks
- Kostenkalkulation des gesamten Projekts
- die Planung des Baus oder der Sanierung
- die Koordination aller Gewerke
Bauherr ist die Baugruppe
Ganz wichtig ist aber: Bauherr ist die Baugruppe. Sie trifft als Gemeinschaft die wesentlichen Entscheidungen und trägt letztlich die Verantwortung dafür, dass Termine und Kostenkalkulationen eingehalten werden. Jedes Mitglied kann jederzeit Einblick in die Kostenstruktur des Projekts nehmen. Diese Transparenz ist ein wesentlicher Unterschied zum Kauf einer Wohnung von einem Investor. Die Baugemeinschaft ist auch Auftraggeberin aller Bauunternehmer, Handwerker und Dienstleister, die am Projekt beteiligt sind.
Wie organisiert sich eine Baugemeinschaft?
Intern organisieren viele Baugemeinschaften sich in Arbeitsgruppen. In enger Absprache mit den Architekten und dem Projektkoordinator kümmern sie sich dann um die Ausarbeitung von Teilbereichen, die unter fachlicher Anleitung auch für Laien geeignet sind: Manche planen die Gestaltung der gemeinsamen Dachterrasse oder des gemeinschaftlichen Innenhofes. Andere treffen eine Vorauswahl für Fußböden oder Sanitärobjekte, die in den Wohnungen eingebaut werden sollen. Wieder andere erarbeiten Vorschläge für die farbliche Gestaltung des Treppenhauses. Jede Baugruppe hat darüber hinaus in der Regel einen Vorstand oder eine Geschäftsführung, die von der Gruppe gewählt wird.
Üblicherweise trifft die Baugruppe sich in regelmäßigen Abständen mit dem Projektbetreuer, um die nächsten Schritte zu besprechen und Entscheidungen zu treffen. Der Projektbetreuer übernimmt in der Regel im Namen der Baugruppe alle Koordinationsaufgaben bis die Immobilie fertig gebaut ist.
Baugruppenprojekt
Aus welchen Phasen besteht ein Baugruppenprojekt?
Ein Baugruppenprojekt besteht im Groben aus sieben Phasen, die sich wie folgt gliedern lassen.

- Phase 1: Zusammenfinden der Kerngruppe
- Phase 2: Beauftragung eines Projektbetreuers
- Phase 3: Grundstückssuche
- Phase 4: Architektensuche
- Phase 5: Gebäudeplanung
- Phase 6: Bauphase
- Phase 7: Einzug und Beginn der Wohnphase
Eine detailliertere Erläuterung der einzelnen Phasen eines Baugruppenprojekts haben wir hier für euch zusammengestellt.
Wie finden Baugemeinschaften zusammen?
Wie Baugemeinschaften zusammenfinden, kann ganz unterschiedlich sein: Häufig gründet sich eine Kerngruppe, die sich aus Mitgliedern eines Freundes- oder Bekanntenkreises zusammensetzt. Im Laufe der Zeit kommen dann über Freunde von Freunden, Aushänge an Schwarzen Brettern oder Anzeigen in Immobilienportalen weitere Mitglieder dazu.
Manchmal stellen auch Projektbetreuer selbst eine Baugruppe zusammen, um sich dann gemeinsam mit dieser auf ein Grundstück zu bewerben.
Welche Rechtsform hat eine Baugemeinschaft?
Baugemeinschaften können sich in unterschiedlichen Rechtsformen zusammenfinden. Es gibt beispielsweise
- private Baugemeinschaften (GbR)
- Vereine
- Genossenschaften
Manchmal entstehen auch Mischformen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich eine private Baugemeinschaft mit einer Genossenschaft zusammenschließt. Auf diesen Seiten soll es ausschließlich um private Baugemeinschaften gehen, die im Eigentum bauen. Diese durchlaufen in der Regel verschiedene Stadien:
- für die Planungsphase gründet die Baugemeinschaft bzw. die Bauherrengemeinschaft üblicherweise eine sogenannte Planungs-GbR
- mit Beginn der Bau- oder Sanierungsphase wird die Planungs-GbR aufgelöst und die Gruppe gründet eine Bau-GbR
- nach Abschluss des Baus wird auch die Bau- oder Sanierungs-GbR aufgelöst und die Baugruppenmitglieder bilden gemeinsam eine Wohnungseigentümergemeinschaft – kurz WEG
Wie bauen Baugemeinschaften?
Auf welche Art und Weise Baugemeinschaften ihren Wohnraum erschaffen, ist so vielfältig wie bei regulären Bauprojekten auch: Manche entscheiden sich für einen Neubau, andere renovieren ein bestehendes Gebäude oder bauen es ihren Vorstellungen entsprechend um.
Manche Baugemeinschaften entscheiden sich dafür, alle Arbeiten an professionelle Handwerker auszulagern und am Schluss ein schlüsselfertig erstelltes Gebäude zu übernehmen. Andere bringen Eigenleistung ein, indem sie beispielsweise selbst streichen, Parkett verlegen oder Gärten und Grünflächen in Eigenregie anlegen. Das spart Kosten, stärkt aber in vielen Fällen auch die Gemeinschaft und die ganz persönliche Bindung an das Bauprojekt.
Wie lange dauert das Bauen in einer Baugemeinschaft?
Wer in einer Baugruppe baut, muss häufig Geduld mitbringen. Auch in Städten wie beispielsweise Hamburg, in denen Bauherrengruppen mittlerweile Standard sind, vergehen von der Gründung der Kerngruppe bis zur Fertigstellung der Immobilie schnell sechs, acht oder auch zehn Jahre. Erfahre mehr über die 7 Phasen eines Baugruppenprojekts.
Wie viel Arbeit bedeutet das Bauen in einer Baugruppe?
Klar ist: Das Bauen in einer Baugruppe ist für die einzelnen Mitglieder zeitintensiver als der Kauf einer Eigentumswohnung von einem Investor. Wie zeitintensiv es sich für den Einzelnen gestaltet, ist jedoch sehr unterschiedlich. Wie in jeder anderen Gruppe auch, gibt es Baugruppenmitglieder, die sich sehr aktiv einbringen und viel Zeit investieren. Und es gibt andere, die sich nur so viel wie nötig engagieren.
Feste Termine für alle sind üblicherweise die regelmäßig stattfindenden Baugruppensitzungen mit dem Projektbetreuer. Dazu kommt häufig die Arbeit in Arbeitsgruppen. In diesem Interview berichten Anni Endress und Klaus Schaeffer von der Stuttgarter Bauherrengemeinschaft MaxAcht, wie viel Zeit sie in ihre Baugruppe investiert haben.
Finanzierung
Wie finanzieren sich Baugemeinschaften?
Anders als beim Kauf einer regulären Eigentumswohnung von einem Investor können Mitglieder einer Baugemeinschaft nicht einfach zu irgendeiner Bank gehen, sondern müssen sich zunächst einmal gemeinsam auf eine Bank einigen. Das hängt mit der Rechtsform zusammen, unter der Baugemeinschaften agieren: Wie oben erläutert, handelt es sich während der Planungs- und Bauphase bei einer Baugruppe um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die gesamtschuldnerisch für ihr Projekt haftet. Das bedeutet: Wenn ein Mitglied ausfällt und zahlungsunfähig wird, haften die anderen Parteien für dieses Mitglied und müssen dessen Kosten mittragen. Auf Grund dieser Konstellation lehnen viele Banken die Finanzierung von Baugemeinschaften ab.
Baugruppen können bis zu 30 Prozent sparen
Der Gewinnaufschlag des Investors entfällt also und die Baugruppe trägt nur die tatsächlichen Bau- und Grundstückskosten. Wie viel Baugruppen im Vergleich zu Käufern einer regulären Eigentumswohnung sparen können, schwankt. Im Schnitt liegt das Einsparpotential laut Bundesverband Baugemeinschaften e.V. bei bis zu 30 Prozent. Je nach Lage und Ausstattung der Immobilie kann die Ersparnis auch größer oder kleiner sein.
Baugemeinschaften können im Eigentum, aber auch als Genossenschaft entstehen. Manche Baugemeinschaften wählen auch Mischformen aus Eigentums- und Mietwohnungen. Auf diesen Seiten soll es in erster Linie um Baugemeinschaften gehen, die im Eigentum entstehen. Das Ziel Baugruppen, die gemeinsam Eigentumswohnungen bauen, besteht in der Regel darin, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, diesen auf lange Sicht selbst zu nutzen und ihn dauerhaft der Spekulation zu entziehen.
Welche Banken finanzieren Baugemeinschaften?
Es gibt einige Banken, die Baugemeinschaften grundsätzlich finanzieren. Dazu gehören:
- die Umweltbank
- die PSD-Bank
- die GLS Bank
Darüber hinaus bieten manche Projektbetreuer ihren Baugruppen an, das konkrete Bauprojekt bei den Vorständen lokaler Banken vorzustellen. In manchen Fällen finanzieren auch einzelne Sparkassen oder Sparda-Banken Baugemeinschaften. Hier lohnt es sich, einmal nachzufragen.
Ursprung und Verbreitung von Baugemeinschaften
Wie sind Baugemeinschaften entstanden?
Baugemeinschaften haben in Deutschland noch keine allzu lange Geschichte. Entstanden sind sie im sogenannten Franzosenviertel in Tübingen sowie im Vauban in Freiburg im Breisgau. Bis in die 1990er Jahre standen dort Kasernen der französischen Soldaten. Nachdem das Militär die Stadt verlassen hatte, boten die Städte die Grundstücke zu einem günstigen Preis Baugruppen an. Mithilfe der Baugruppen gelang es, diese Stadtviertel zu heute beliebten Wohn- und Gewerbevierteln zu machen.
Wo gibt es Baugemeinschaften?
Baugemeinschaften gibt es mittlerweile deutschlandweit von Freiburg im Breisgau über Tübingen, Karlsruhe, Leipzig und Berlin bis nach Hamburg. Auch auf dem Land – oft in Reichweite größerer Ballungszentren – schließen sich immer häufiger Menschen zusammen, um gemeinsam zu bauen.
Baugemeinschaften als Instrument zur Stadtentwicklung
Warum sind Baugruppen für Städte attraktiv?
Früher galten Baugemeinschaften in der Stadtplanung als Experiment. Inzwischen haben immer mehr Städte Baugemeinschaften als ein Instrument zur Stadtentwicklung entdeckt. In den Gruppen finden sich in der Regel Menschen zusammen, die sich aktiv für ihre Umgebung engagieren und dadurch ein Quartier beleben. Viele Baugruppen engagieren sich nach der Entstehung ihrer Immobilie in ihrem Viertel: Manche gründen einen Sportverein, andere öffnen ihren Gemeinschaftsraum auch für die Nachbarn aus anderen Häusern und schaffen so einen Treffpunkt. Wieder andere setzen sich besonders für Nachhaltigkeit in ihrem Viertel ein.
Oftmals entstehen in der Zusammenarbeit von Baugruppen und Architekten auch neue, kreative Wohnformen, die beispielsweise besonders platzsparend sind, oder in denen sich die Wohnungen bei Bedarf relativ leicht umbauen und an veränderte Bedürfnisse ihrer Bewohner anpassen lassen.

